In dem Buch: Focusing – Der Stimme des Körpers folgen, von Ann Weiser Cornell 14. Auflage August 2017, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt, S. 13 – 16., wird beschrieben, wie Focusing entdeckt wurde:
Focusing wurde in den frühen sechziger Jahren entdeckt. Professor Eugene Gendlin an der Universität von Chicago ging der Frage nach, warum Psychotherapie manchen Menschen hilft und anderen nicht. Zusammen mit einer Gruppe von Kollegen führte er ein Forschungsprojekt durch.
Analysiert wurden Aufzeichnungen von einigen hundert Therapiesitzungen. Als erfolgreich wurden die Therapien dann gewertet, wenn sowohl die Klienten, als auch die Therapeuten, als auch die von Gendlin und seinen Kollegen zur Absicherung durchgeführten psychologischen Tests der Therapiewirksamkeit die positive Veränderung bestätigten. Zuletzt lagen also zwei Gruppen von Aufzeichnungen vor, von erfolgreichen und von nicht erfolgreichen Therapien.
Erstaunlicherweise stellten sie fest, dass sich das jeweils unterschiedliche Verhalten der Therapeuten nicht signifikant auf den Therapieerfolg auswirkte.
Signifikante Unterschiede bei den erfolgreichen und erfolglosen Therapien wurden auf der Seite der Klienten gefunden.
Bei den erfolgreichen Therapien ergab sich als gemeinsames Merkmal bei den Klienten, dass sie während der Therapie nach Worten suchten, das Sprechtempo verringerten, um zu beschreiben, was sie gerade spürten. Sie erwähnten oft ein Körpergefühl, das mit einer Emotion in Verbindung stand. So etwa, „es ist hier in der Brust …“ sie beschrieben eine vage schwer zu beschreibende Körperempfindung die sie direkt während der psychotherapeutischen Sitzung wahrnahmen.
Die erfolglosen Therapieklienten drückten sich während der ganzen Sitzung hindurch ohne Körperempfindung klar aus. Sie blieben quasi nur „im Kopf“. Jegliche noch so gründliche Analyse, Erklärung des Problems und intensives Weinen führte bei ihnen nicht zu einem anhaltenden Therapieerfolg.
Es zeigte sich also, dass diese instinktive Selbstwahrnehmung der Klienten der Schlüssel zum Therapieerfolg war. Gendlin wollte allen Klienten diese Möglichkeit für einem Therapierfolg eröffnen, auch für die, die keine spontane Selbstwahrnehmung hatten. Er fand einen Weg, diese Fertigkeit für alle Menschen lehrbar und erfahrbar zu machen und nannte sie Focusing.
In der Quelle wird nicht ausdrücklich genannt, dass es sich um psychotherapeutische Gesprächstherapien handelt, die analysiert wurden. Jedoch lässt der Versuchsaufbau und die Art der Forschung kaum eine andere Therapieform plausibel erscheinen. Mir ist nicht bekannt, was eine Analyse bei anderen Arten von psychotherapeutischen Therapieformen, etwa Verhaltenstherapie oder EMDR, um nur zwei Beispiele zu nennen, in Bezug auf die Therapiewirksamkeit ergeben hätte.
Das Forschungsergebnis deckt sich jedoch mit meinen Erfahrungen als Therapeutin. Im Bereich der Psychotherapie erlebe ich immer wieder: das verstandesmäßige Erfassen des Problems, Reden, Begründen und Analysieren reicht oft nicht. Der Patient fühlt sich nach einer Aussprache für den Moment entlastet und verstanden, nur hilft es leider oft nicht dauerhaft. Grundsätzlich kann natürlich auch dies sehr wirksam sein, wenn plötzlich tiefere Erkenntnisse zu einem Verstehens- und damit Veränderungsprozess anregen. Dennoch kann ich sagen, dass ich die schnellsten und intensivsten Wandlungen, Veränderungen und Fortschritte bei Patienten im therapeutischen Focusing-Prozess erlebe. Manchmal scheint es fast magisch zu sein.